„Poppemeicher“ in Körrenzig

Die Klompenmacher und natürlich die Korbflechter prägten einmal das für Körrenzig charakteristische Gewerbe.
Daneben gab es in Körrenzig aberauch zahlreiche Poppenmachereien.
„Poppe“ ist der niederrheinische Ausdruck für Puppe.
Gemeint sind die Strohgebinde für Dachdecker, die in der Fachsprache auch als Docken be zeichnet werden.
Die Strohdocke führt sicher auch deshalb die Bezeichnung Puppe, weil sie mit ihrem kopfartigen Knoten und dem anhängenden Unterteil an die Kleinform eines menschlichen Körpers erinnert.
Die Strohpuppen wurden früher auch den Kindern zum Spielen gegeben, nachdem man die Docken auch noch in der Mitte gebunden und sie mit Armen und Beinen versehen hatte.
In Körrenzig und in der näheren Umgebung des Ortes bestritten vor dem letzten Weltkrieg 40 bis 50 Familien den Lebensunterhalt von der Herstel-lung der Strohpuppen. Die größten Betriebe beschäftigten zeitweise bis zu 20 Personen. Daneben gab es auch viele Bauern, die nach dem Dreschen im Winter aus dem eigenen Vorrat Strohpuppen machten.
Das Bedachungsmaterial ging in großen Mengen in die Voreifel, in den Kölner Raum und an den Niederrhein.
Im Jahre 1919 begann Gerhard Johnen in seinem damaligen Heimatort Glimbach mit der Produktion, und nach seinem Umzug nach Körrenzig im Jahre 1928 setzten er und danach seine Söhne August und Peter die Ferti-gung auf der Bahnhofstraße in Körrenzig fort.
Noch bis 1968, als August Johnen seinen Dachdeckerbetrieb nach Jülich verlegte, wurden bei Johnen Strohpuppen hergestellt, aber immer weniger.
Strohpuppen waren nicht mehr gefragt.
Falzziegel eroberten den Markt, verdrängten die Hohlziegel und damit logi-scherweise auch die Strohdocken.
Der neue Markt verdrängte das alte Handwerk.
Nur ein Betrieb blieb erhalten: der von Wilhelm Corsten.
1923 hatte er angefangen, und zwar zunächst am Körrenziger Bahnhof, und danach arbeitete er lange Jahre bei Franken in der Scheune. Aber auch im Selfkant, in den Kuhställen verschiedener Landwirte, stellte er vornehmlich in den Wintermonaten Strohdocken her.
Die Nähe zu den Kühen hatte einen Grund: bei ihnen war es wesentlich wärmer als in einer Scheune.
Noch vor dem Krieg legte er sich als Transportmittel einen Klein-LKW, ein Tempo Dreirad, zu. Nach dem Krieg funktionierte er die alte Schmiede auf der Hauptstraße im Körrenziger Oberdorf zu seiner “Poppemeicher”-Werkstatt um.
Nachdem sein Tempo-Dreirad zu Kriegsbeginn konfisziert und Wilhelm Corsten zur selben Zeit eingezogen worden war, übernahmen nach dem Krieg Kleinspediteure aus Linnich und Baal (Erich Gäbler aus Baal) den Transport.
Ende der 50er Jahre wurde Wilhelm Corsten Besitzer eines Hanomag-Henschel Matador, mit dem er seine immer weniger gefragte Ware zu seinen immer weniger werdenden Abnehmern transportierte.
Nach seinem Tod im Februar 1976 übernahm sein Schwiegersohn Peter Sodekamp den Betrieb.
Längst war das Geschäft mit den Strohdocken zu einem Nebenerwerb geworden.
Mit Hubert Wolf arbeitete Peter Sodekamp lange Jahre in seiner Werkstatt zusammen.



Das Tor zur Straße hin war nie verschlossen, stand meist zumindest so weit auf, dass man ungehindert durchgehen konnte, und nicht selten gesellte sich jemand zu den beiden.
So gehörte zum Beispiel für Albert Küppenbender aus der Lövenicher Straße ein Besuch in der Werkstatt zu seinem Ta-gesablauf.
Neuigkeiten wurden ausgetauscht, Witze erzählt und über Gott und die Welt wurde debattiert, aber in ihrer Arbeit stören ließen sich die beiden “Poppemeicher” nicht.
Etwa 2000 Strohpuppen stellten sie täglich her.
Im März 1988 verstarb Peter Sodekamp, mit ihm aber nicht die Stroh-dockenproduktion.
Für Franz-Willi Sodekamp ist es auch ein Stück Tradition, das, was sein Großvater angefangen und sein Vater übernommen hat, weiter zu führen.